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Filmnachlese spezial: Winnetou

Last updated on 2021-12-09

Das erste, was mir auffiel, als im TV Trailer für das RTL-Weihnachts-Winnetou-Spektakel liefen, war die Tatsache, dass in den alten Landschaften in Kroatien gedreht wurde, wo auch die Klassiker mit Lex Barker und Pierre Brice entstanden. Eine Neuverfilmung von Winnetou? Gewagt. Wie wohl sehr viele war auch ich neugierig.

Sonntag, 25. Dezember 2016:

Winnetou – Eine neue Welt (Teil 1)

Positiv: Die Geschichte wird langsam erzählt, man nimmt sich Zeit für eine Storyentwicklung, ein paar Details sind näher an Karl May als die alten Horst-Wendland-Schmonzetten, gleichzeitig wird versucht, den alten Filmen ein wenig Reverenz zu erweisen.

Gerade für Fans einer eher authentischen Erzählweise ergeben sich aber auch Kritikpunkte. Ich verschluckte mich ziemlich, dass die (nach May Mescalero-) Apachen wiederholt von wakan tanka reden, dem Großen Geist der Lakota (Sioux-Indianer), was geografisch wie sprachlich völlig daneben liegt, und auch sonst war das eine oder andere für meine Begriffe nicht sonderlich gelungen – dennoch empfand ich den ersten Teil als einen recht gut gemachten Versuch der Neuinterpretation. Wie weite Teile meiner Twitter-Timeline denke ich, der Film an sich war gar nicht übel, der Fehler lag nur darin, ihn „Winnetou“ zu nennen.

Mythos Winnetou (Doku)

Eine ausgesprochen interessante Doku sowohl über den Mythos Winnetou und die Filme, u.a. mit Mario Adorf, vor allem aber über das Leben Karl Mays. Einziger Minuspunkt: die Berichterstattung zu Gojko Mitic mit der Titelmelodie zu „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ zu hinterlegen, war ein sehr deutlicher Fehlgriff – zumal die DEFA-Indianerfilme selbst sehr viel fabelhafte Musik aufgeboten hätten. Dennoch sehr gut gemacht, ziemlich informativ und trotz beachtlicher Länge nicht langweilig – gehört für meine Begriffe auf einen Top-Sendeplatz, nicht im Programm versteckt.

Witzigerweise war der erste Winnetou-Teil komplett werbefrei, dank Sponsoring durch Amazon Prime.

Dienstag, 27. Dezember 2016:

Winnetou – Das Geheimnis vom Silbersee (Teil 2)

In einem Wort: Furchtbar. Nichts vom alten Zauber des „Schatz im Silbersee“ blieb erhalten. Hatte ich nach Teil 1 noch gehofft, es könne sich in Teil 2 vielleicht langsam eine spürbare Chemie zwischen den Hauptdarstellern / Charakteren entwickeln, wurde diese Hoffnung, pardon the pun, shattered. Die Story ist lückenhaft, unspannend, meilenweit von den alten Vorlagen entfernt, und nicht mal die traumhafte Landschaft, die dem Original so viel Flair verlieh, kommt hier zum Tragen. Old Shatterhand wechselt ins Lederhemd, weil er kein Weißer mehr sein will? Nscho-Tschi wird zur Ersatz-Latina für einen durchgeknallten Mexikaner, und die mexikanischen Bandidos erinnern fatal an Fettes Brot in „Jein“. Die beiden besten Szenen des Films haben Sam Hawkens und eine (Ex-) Hure (fabelhaft verkörpert von Henny Reents), und das ist auch schon alles, was man über dieses Ding wissen muss. Detail am Rande: sowohl Winnetous Silberbüchse als auch Shatterhands Henrystutzen sind also geklaut. Was für eine Enttäuschung!

Donnerstag, 29. Dezember 2016:

Winnetou – Der letzte Kampf (Teil 3)

Spätestens in diesem Teil entfernt sich das Filmteam um Regisseur Philip Stölzl von allen Vorlagen. Die Einstiegsszene spielt in einem Gefängnis in New York, in dem Santer Sr. (Mario Adorf) seinen mißratenen Sohn mal wieder aus der Bredouille holt, und gen Westen verschickt. Shatterhand und Nscho-Tschi leben derweil in einem (im Entstehen begriffenen) Blockhaus auf Apachenland, denn schließlich muss ja alles seine deutsche Ordnung haben. Im Zelt leben, wo kämen wir da hin, betont doch dieser Shatterhand oft genug, kein Apache zu sein.

Der Herr May heuert ein paar polnische Arbeiter an, die ihm beim Hausbau helfen sollen, nicht ohne noch ein paar verzichtbare Klischees auszukramen darüber, dass er ja aus Sachsen stamme und man dort Polen als Diebe und Betrüger ansehe, und kauft im Laden von Sam Hawkens und dessen Partnerin Kassler in Dosen (right, weil dieses Indianerfutter schmeckt nicht wie Heimat…), und nach so viel Teutonik darf sich dann auch das Drama entfalten. Beim Brunnengraben entdeckt nämlich ausgerechnet Herr Shatterhand Öl auf seinem Grund, auf das der durchreisende Santer jr. aus purer Geldgier aufmerksam wird, und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Kurzerhand schiebt Santer jr. den Apachen Morde in die Schuhe, der Friedensvertrag ist null und nichtig, und das Indianerabschlachten kann beginnen.

Auch das ist alles eher Cowboy-und-Indianer-101, wenn nicht Shatterhand noch viele salbungsvolle Worte in den Präriewind spräche, die ihn eher wie einen Priester denn wie einen Westmann wirken lassen. Das Ende schließlich lässt mich beherzt nach einem Glas Whiskey greifen, denn nach dem (das ist wohl nicht wirklich ein Spoiler) Tod Winnetous machen die Apachen Herrn Shatterhand schließlich zum Häuptling. – SERIOUSLY?

Waschechte Karl-May-Fans wie Fans der alten Filme können diesen Teil des Dreiteilers wohl nur mit viel Humor oder Zähneknirschen aushalten.

Winnetou – eine Legende wird zum Leben erweckt (Doku)

Krönender Abschluss der Serie ist eine Art „Making Of“ zum TV-Event, und tatsächlich ist es dieses Making Of, das mich am Ende zumindest etwas mit dem Dreiteiler versöhnt. Zwar macht es die Filme nicht besser, aber es erklärt doch ein paar der Punkte, die mich irritiert haben, allen voran das seltsame Auftauchen von Lakota. Man erfährt nämlich, dass das Drehteam sich einen Berater für indianische Angelegenheiten gegönnt hat, der für Authentizität sorgen sollte, und für diesen wurden absolut alle Drehbücher in Lakota übersetzt, da er von den Sioux in South Dakota stammt.

Sehr gut gefällt mir an der Doku der ausgesprochen interessante Blick auf die (hervorragende) Arbeit der Maskenbildner und Kostümdesigner, die tatsächlich mit sehr viel Liebe zum Detail für den authentischen Look & Feel der Darsteller gesorgt haben, im Verein mit einer gigantischen Arbeit der Bühnenbildner. Gerade der Beitrag dieser Kreativen wird oft nicht bewusst wahrgenommen. Und auch die Location Scouts hatten Arbeit, denn die alten Drehorte von früher standen oft nicht mehr zur Verfügung, u.a. weil es dort nun Hochspannungsmasten, Autobahnen oder einfach gewachsene Wälder gab.

Bei aller von Regisseur und Produzent beschworenen Liebe zur Authentizität frage ich mich dann aber doch, warum man keine Native American-Darsteller für die Hauptrollen finden konnte, erst recht nicht, wenn Stölzl behauptet, man habe „überall auf der Welt, auch in Nord- und Südamerika“ nach dem richtigen Winnetou gesucht. Fünf Staffeln Longmire anschauen könnte dabei helfen… es ist zwar nachvollziehbar, dass man – mit einem Drehort wie Kroatien – keine 500 indianischen Komparsen einfliegt, aber Whitewashing gerade bei Indianerrollen ist ja nun keine neue Erscheinung. Dass die Apachen in Teil 3 in blauer Pikten-Kriegsbemalung (Braveheart, anyone?) herumrennen, fällt dann schon fast nicht mehr ins Gewicht.

Ein kurzer Abschnitt zur behutsamen Renovierung der Musik von Martin Böttcher macht vor allem Freude, weil Böttcher noch am Leben ist, und sich selbst ganz augenscheinlich riesig freut, bei dieser Sache nochmal dabei zu sein, wie sich auch durch diesen Doku-Teil zieht, dass die Darsteller offenbar viel Spaß an dem Projekt hatten. Das ist ein positives und versöhnliches Ende dieses TV-Events.

Fazit

Sind Wotan Wilke und Nik Xhelilaj wirklich die neuen Old Shatterhand und Winnetou? Für mich ist die Antwort ein klares Nein. Insbesondere Wilke kann mich nicht überzeugen. Stölzl sagt in der Doku:

Wotan ist einer, den irgendwie jeder mag, und so ein Kerl muss Old Shatterhand sein.

Mein Kriterium für einen guten Schauspieler und die Qualifikation für einen bestimmten Charakter wäre ein anderes… zahlreiche der Nebendarsteller waren erheblich intensiver und glaubwürdiger in ihren Rollen.

Ein TV-Event war es gewiss, aber zu epischer Größe läuft diese Neuinterpretation der Winnetou-Filme wahrlich nicht auf, vielleicht auch, weil zu viel auf einmal damit erreicht werden sollte: Das Winnetou-Thema einer neuen Generation anders nahebringen; Karl May gerecht werden; insgesamt authentischer sein und schließlich noch die Hommage an die alten Filme. Streckenweise ganz unterhaltsam, haben die Dokus bezeichnenderweise mehr Spaß gemacht als die Filme, die bestenfalls Mittelmaß sind.

(Featured image: Dyaa Eldin auf Unsplashed)

Veröffentlicht in Film + Fernsehen

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